„INTEGRATIVE ONKOLOGIE ENTSPRICHT DEM GRUNDLEGENDEN BEDARF PALLIATIVER TUMORPATIENTEN“
Dass eine integrativ-onkologische Behandlung nicht nur menschlich ansprechend, sondern auch therapeutisch vorteilhaft ist, erfährt Dr. Yves Dencausse als Facharzt für Innere Medizin und Palliativmedizin jeden Tag: „häufig darf ich Krankheitsverläufe beobachten, die man sich eigentlich nicht erklären kann. Hospiz-Patienten, die – nach Beendigung aller Therapien – noch monatelang lebten, sobald sie ganzheitlich palliativ betreut wurden. Die bestmögliche Behandlung palliativer Tumorpatienten muss integrativ sein – als logische Konsequenz von Zuwendung.“
Ist die Zeit für eine integrativ-onkologischer Beratung gut investiert?
„Ein individuelles Vorgehen zu Beginn spart auf lange Sicht Zeit und sichert eine gute Compliance. Es gehört zu jeder vernünftigen Anamnese, dass ich die Vorgeschichte, die momentane physische und psychische Verfassung und die Lebensziele des Patienten kenne. So weiß ich, was er primär erreichen will: Symptomlinderung? Lebensverlängerung? Erst dann kann ich komplementäre Maßnahmen empfehlen, die ihm die beste Unterstützung bieten können.“
Wie sieht Ihr Behandlungsansatz aus?
„Krebsbetroffene wollen so weit wie möglich aktiv bleiben! Das schaffen wir, indem wir sie gleichzeitig körperlich und seelisch aufbauen. Elementar für den Erhalt der Muskelfunktion sind Bewegung und die richtige Ernährung. Unser Angebot umfasst zudem eine psychoonkologische Beratungsstelle, OnkoWalking und Musiktherapie. Als Medikation nutzen wir u.a. die Misteltherapie und die Christrose.“
Dr. Yves Dencausse
Seit 2007 Ärztlicher Leiter des Medizinischen Versorgungszentrums am Siloah St. Trudpert Klinikum (Zentrum für Onkologie) in Pforzheim.
Seit 2009: Arzt im Christlichen Hospiz Pforzheim/Enzkreis gGmbH.
Seit 2015: Arzt im Palliativnetz Pforzheim Enzkreis gGmbH (SAPV)
Inwiefern verbessert eine Supportivtherapie die Lebensqualität palliativer Patient:innen?
„Wichtig für Betroffene ist das Gefühl selbst etwas tun zu können, sie wollen nicht nur passiv verordneten Therapien “ausgeliefert” sein. Nach unserem Gespräch entscheiden sie, welche Maßnahmen umgesetzt werden. Viele Patienten fragen auch vorinformiert nach bestimmten komplementären Behandlungsmethoden zur Aktivierung ihrer Selbstheilungskräfte.
Die Misteltherapie ist zum Beispiel oft schon bekannt. Wir empfehlen sie generell bei soliden Tumorarten und setzen sie in allen Tumorstadien ein – während Chemo- und Strahlentherapie und in der palliativen Situation empfinden Betroffene meist eine Stabilisierung ihres Allgemeinzustands, leiden weniger unter Übelkeit, und auch Appetit und Schlaf bessern sich deutlich. Nicht alle Patienten reagieren gleich – die Verbesserungen sind unterschiedlich ausgeprägt und betreffen teils einen, teils mehrere Lebensqualitätsparameter.
Wenn Ängste oder depressive Stimmungslagen im Vordergrund stehen, setzen wir zudem die Christrose ein, die unsere Patienten oft erstaunlich schnell zur Ruhe kommen lässt.“
Warum muss interdisziplinäre Zusammenarbeit den „Tunnelblick“ ersetzen?
„Die wachsende Aufgeschlossenheit niedergelassener und universitär arbeitender Ärztinnen und Ärzte sowie eine ständig verbesserte Datenlage wird zur weiteren Verbreitung geprüfter Maßnahmen wie den hier genannten beitragen. In einem Netzwerk vorurteilsfreier interdisziplinärer Zusammenarbeit wird viel mehr erreicht als wenn ein medizinischer „Tunnelblick“ sinnvolle Behandlungsoptionen verhindert.“
Welchen Beitrag leistet integrative Onkologie zur Patientensicherheit?
„Der Patientenwunsch etwas für sich zu tun, war immer da, aber heute wird offener darüber gesprochen – sofern aufgeschlossene Ärzte da sind, die umfassend beraten. Wenn nicht, besteht die Gefahr, dass ohne Rücksprache ungeprüfte Maßnahmen ausprobiert werden – mit allen damit verbundenen Risiken.“
Vielen Dank, Herr Dr. Dencausse, für das Gespräch!