Sich wieder selbstbestimmt fühlen – das ist für
Krebsbetroffene ein ganz wichtiger Aspekt
An der Filderklinik (Filderstadt bei Stuttgart) ist Dr. Eva-Marie Braun Oberärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Im Interview beschreibt sie den Stellenwert integrativer Onkologie bei der Behandlung gynäkologischer Krebspatientinnen.
Was bietet integrative Onkologie für Patient und Behandler?
Neben der leitliniengerechte Tumortherapie sorgt integrative Onkologie dafür, dass die Nebenwirkungen geringer ausfallen und ein weitgehend „normaler“ Lebensstil möglich ist.
Meiner Meinung nach ist das A und O vor jeglicher Behandlungsplanung ein ganzheitlicher Blick auf den Patienten, welcher sich auch auf Lebensbereiche bezieht, die sonst nicht unbedingt Beachtung finden. Für die ganzheitliche Therapie während und nach der Krebserkrankung ist dies aber sehr wichtig. Das beinhaltet zum Beispiel den Schlafrhythmus, die Ernährung, das soziale Umfeld, Probleme in der Sexualanamnese oder psychische Vorbelastungen.
Abgestimmt auf die jeweils vorherrschenden Probleme (Temperaturempfindlichkeit, Schlafprobleme, Schmerzen) entwickeln wir gemeinsam mit der Patientin ein integratives Behandlungskonzept, welches wir in regelmäßigen Abständen anpassen.
Welche Maßnahmen sind wichtig?
Einige grundlegende Maßnahmen gehören in der Regel dazu: Die Kombination aus Ausdauer- und Kraftsport, Ernährungsempfehlungen und Entspannungsmaßnahmen (je nach individueller Neigung zum Beispiel TaiChi, Traumreisen, Meditation). Oft verweise ich auf das Angebot der Psychoonkologie in unserem Haus. Zu den weiteren Maßnahmen gehören Naturheilverfahren, Homöopathie, Anthroposophische Medizin mit der Misteltherapie, Ayurveda, Traditionelle Chinesische Medizin, orthomolekulare Medizin, Physiotherapie, Hydrotherapie mit Kneipp´schen Anwendungen, Paar- oder Sexualtherapie.
Welche Rolle spielt die Misteltherapie?
Unsere Erfahrungen mit der Misteltherapie sind sehr gut – vor allem nach einer Chemotherapie erfahren die Patientinnen eine Grundstabilisierung bezüglich Stimmung, Tagesrhythmus und Körpertemperatur. Die Frauen berichteten, dass sie sich „normaler“ fühlen, teils wie vor der Erkrankung. Das erscheint nicht bahnbrechend, doch ich bewerte diesen Aspekt als überaus positiv: Gerade in dieser Zeit brauchen die Patientinnen das Gefühl, dass in ihrem Leben wieder ein Stück Normalität einkehrt. So viele Lebensbereiche bekommen durch die Tumordiagnose und -therapie Risse, oft geht das Vertrauen in den Körper verloren. Dank der Misteltherapie empfinden sich die Patientinnen nicht mehr als so „krank“, sie gestalten ihre Therapie aktiv mit. Die Misteltherapie kann das als mögliches Nebenwirkungsspektrum bestehende Gefühl des Ausgeliefertseins während einer Krebserkrankung beenden, gerade wenn eine krebsbedingte Müdigkeit jegliche Aktivität lahmlegt.
Wie sehen Sie die Zukunft integrativer Medizin?
Der wachsende Markt vermeintlich hilfreiche Mittelchen verdeutlicht das enorme Interesse an zusätzlichen Maßnahmen – doch viele „Heilversprechen“ rechtfertigen die Patientenerwartungen und -ausgaben nicht. Ziel für mich ist somit dieses Patienteninteresse in ein sinnvolles onkologisches Konzept mit geprüften integrativ-medizinischen Maßnahmen einzubetten. Ich erhoffe mir hiervon Sicherheit für Patienten und Ärzte als positiven Beitrag zur Gesundheitsökonomie durch bessere Behandlungsergebnisse. Einige Kliniken sind schon beste Beispiele dafür.
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