Mehr tun in der Krebstherapie
Frau Dr. Paepke, welche Erfahrungen haben Sie mit dem begleitenden Einsatz der Misteltherapie bei Krebspatienten gemacht?
Die Misteltherapie ist eine Ergänzung zu den klassischen, schulmedizinischen Therapien. Sie kann deren Nebenwirkungen reduzieren, ohne die Wirksamkeit zu beeinträchtigen. Sie trägt zur Verbesserung der Lebensqualität, zur Verringerung der Cancer-related Fatigue, also des Ermüdungssyndroms in Folge einer Krebsbehandlung, und einer besseren Verträglichkeit onkologischer Therapien bei. Studienergebnisse zum Beispiel bei Bauchspeicheldrüsen- oder Lungenkrebs zeigen neben einer Verbesserung der Lebensqualität auch einen Überlebensvorteil durch den Einsatz der Mistel.
Gibt es weitere Studienergebnisse zur Misteltherapie?
Zur Mistel gibt es eine Vielzahl an Studien mit guter Evidenz, also auf solidem wissenschaftlichen Niveau. Eine große Anzahl onkologischer Patientinnen erhält im Verlauf ihrer Erkrankung eine Misteltherapie. Sie gilt als etablierter Bestandteil einer Krebsbehandlung bei Brustkrebs und bei gynäkologischen Krebserkrankungen.
“Patientinnen wünschen sich naturheilkundliche Begleitung”,
Dr. med. Daniela Paepke ist Oberärztin für Integrative Gynäkologie an der Frauenklinik rechts der Isar, München. Als Stellvertretende Sprecherin der AGO Kommission Integrative Medizin der Deutschen Krebsgesellschaft setzt sie sich dafür ein, dass mehr Krebspatient:innen von integrativen Behandlungen profitieren.
Wie groß ist der Bedarf Ihrer Patientinnen nach ergänzenden Maßnahmen?
Der Bedarf ist definitiv vorhanden. Viele onkologische Patientinnen suchen neben der schulmedizinischen Therapie nach Möglichkeiten, die über die alleinige Tumorbehandlung hinausgehen. Sie erwarten, dass ihr Arzt auf dem Gebiet der Komplementärmedizin informiert ist oder suchen einen Heilpraktiker auf.
Welche weiteren Verfahren der Integrativen Onkologie befürworten Sie?
Ich bespreche mit meinen Patientinnen den Einfluss von sogenannten Lifestyle-Faktoren: Schon eine leichte sportliche Aktivität verbessert die körperliche Leistungsfähigkeit, reduziert das Risiko für die Entstehung eines Lymphödems und verbessert den Schlaf. Auch eine oft durch eine Chemotherapie bedingte Polyneuropathie, eine Erkrankung des Nervensystems, verbessert sich durch gezieltes Bewegungstraining.
Weiterhin empfehle ich ein gutes Anti-Stressmanagement. Die Doppelbelastung Beruf, Haushalt und Kinder bringt viele an ihre Grenzen und nicht wenige berichten über ein Burnout. Da bietet sich ein sogenannter MBSR (Mindfulness-Based-Stress-Reduction) Kurs an, der von der AGO Mamma (Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e.V.) empfohlen und von vielen Krankenkassen bezuschusst wird. Bei diesem Kurs wird durch Achtsamkeitsübungen Stress reduziert und eine positive Auswirkung auf den psychosomatischen Gesamt-Gesundheitszustand erzielt. Auch Yoga, Heileurhythmie, Qi Gong und Meditation sind hilfreiche Methoden. Eine gesunde Schlafhygiene ist auch sehr wichtig und sollte gegebenenfalls therapeutisch begleitet werden.
Vor Kurzem wurde bei Ihnen an der Klinik eine Studie zur Verträglichkeit von Komplementärmedizin in der gynäkologischen Onkologie durchgeführt. Was ist dabei herausgekommen?
Von den insgesamt 448 Studienteilnehmerinnen gaben 74 Prozent an, biologisch basierte Komplementärmedizin zu nutzen. Neben Vitaminen und Mineralien, medizinischen Teezubereitungen, Homöopathika und anderen pflanzlichen Medikamenten war die Misteltherapie die am häufigsten genutzte Maßnahme. Unsere Studie konnte die Ergebnisse anderer Studien bestätigen, dass keine Wechselwirkungen einer Chemotherapie oder Antihormontherapie mit der Misteltherapie zu erwarten sind.
Was ist Ihr Wunsch für Menschen, die mit der Diagnose Krebs konfrontiert sind?
Patienten sollen klar zwischen geprüften komplementären Methoden und ungeprüfter Alternativmedizin unterscheiden können. Die Kosten für sinnvolle Therapiemethoden sollten von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen werden, um in dem Bereich der Integrativen Medizin nicht in ein Zweiklassen-System abzurutschen. Patientinnen sollten proaktiv beraten werden und sinnvolle, ergänzende Konzepte von Beginn der Therapie an in schulmedizinische Konzepte integriert werden. Aber auch von Seiten der Patienten sollte vermehrt ein Augenmerk auf Lifestyle-Faktoren gelegt und ein Weg zur gesünderen Lebensführung gefunden werden.